Im Moment ist nichts, wie es sein sollte. Elina Nebl ist Leichtathletin des TSV Plattling und so gut, dass die University of Memphis ihr ein Sport-Stipendium bewilligte. Vor knapp drei Wochen stieg sie in München in den Flieger, mit dem herrlichen Gefühl, dass im US-Bundesstaat Tennessee vielleicht die beste Zeit ihres Lebens auf sie wartet. Doch die Zeit, die lässt sie warten.

Seit ihrer Ankunft am 4. März hat Elina Nebl viermal mit dem Tigers-Team um Coach Kevin Robinson trainiert, hektisch flüchtende Mitbewohnerinnen verabschiedet, zwei miserable Nachrichten verarbeitet und kein einziges Mal einen ihrer Uni-Kurse besucht. Die Corona-Pandemie macht auch vor den USA nicht halt, die Zahlen der Infizierten im Land verdoppeln sich innerhalb von nur 48 Stunden (Quelle: John-Hopkins-Universität/CSSE/SZ, Stand: Samstagmittag). Zum Vergleich: In Deutschland verdoppelt sich die Zahl alle 2.8 Tage, in Südkorea nurmehr alle 60 Tage.

Die Universität verlängerte kurzfristig die Ferien, genannt Spring Break, um eine Woche. Professoren und Dozenten stellten in dieser Zeit auf Online-Kurse um: Am heutigen Montag startet die Uni wieder in den Betrieb – aber eben im abgesicherten Modus. Das Training wurde schon am 9. März komplett eingestellt, fünf Tage nach ihrer Ankuft. „Zuerst dachte ich, das mit Corona würde schon bald besser werden. Aber als uns der Coach gesagt hat, dass es gar nichts mehr wird, war ich ehrlich gesagt am Boden zerstört“, sagt Elina Nebl im Gespräch mit der PZ am Freitagabend, 13.30 Uhr Ortszeit. Vor einer Woche schloss dann auch das Fitness-Studio. Für Elina Nebl, die Siebenkampfspezialistin, ist es nicht neu, sich Hürden zu stellen und auf verschiedenen Wegen herausgefordert zu werden. Sie macht einfach das Beste draus.

„Ich werde jetzt erstmal nach Colorado fliegen, dort meine Cousine besuchen und mit ihr Zeit verbringen“, sagt sie. In Memphis bewohnt sie ein Appartement nahe dem Uni-Center, doch Küche, Bad und Wohnzimmer hatte sie bis Samstag für sich: Ihre Mitbewohnerinnen, drei kanadische Fußballerinnen, flüchteten nach Hause, nachdem US-Präsident Donald Trump angekündigt hatte, die Grenzen für nicht-notwendigen (Reise-)Verkehr zu schließen. Neue Mitbewohner waren nicht zu erwarten, sagt Elina Nebl – und zu zweit allein lebt es sich doch einfacher.

Einen Rückflug nach Deutschland zog sie in Betracht, aber nur kurz: „Das hätte bloß Unkosten gebracht. Ich habe den Rückflug im Juni schon lange gebucht, deshalb habe ich mich entschieden, hierzubleiben.“ Ihre Erstsemester-Kurse im Hauptfach Kriminologie und Strafjustiz wird sie nun von Colorado aus absolvieren. Verbrecher und deren Hintergedanken haben „mich schon immer fasziniert“, sagt Elina Nebl, genauso wie die Polizeiarbeit an sich.

Abseits des Uni-Lebens geht sie joggen oder absolviert zuhause einige Übungen auf der Yogamatte – unter Anleitung von Thomas Emberger. „Er hilft mir und gibt mir über WhatsApp Tipps, was ich machen kann“, erzählt Nebl und ist dem TSV-Vorsitzenden ehrlich dankbar: „Tom macht ungefähr alles bei uns, er ist immer für uns Athleten da.“

Es geht für sie derzeit nur darum, sich irgendwie fit zu halten. Ihr Ziel war eigentlich, in Memphis unter Top-Trainingsbedingungen etwas Kraft draufzupacken, ihre sehr gute Technik nochmals zu verbessern und im Speerwurf, ihrer besten Disziplin, die 50-Meter-Marke zu knacken. Bei den Deutschen Jugend-Winterwurfmeisterschaften hatte sie Bronze geholt und den Speer auf 47,68 Meter geschleudert. Die fehlenden 2,32 Meter mehr seien kein Hexenwerk: „Dafür muss man einfach einen richtig guten Wurf erwischen – dann fliegt das Ding.“ Elina Nebl weiß: Die Zeit ihres Lebens wird kommen. Sie muss nur noch ein bisschen länger darauf warten.

Interview

Sebastian Lippert (PNP)
Die Zeit lässt sie warten

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